Because News matters! – Corona! … und ich…
Spain, 22. Februar 2021. – Update: 30. Mai 2022
Welch Ironie! Ich, frustriert, wütend und entnervt über unser Mediensystem und nach einer unendlich schmerzhaften, frustrierenden Schreibblockade, bin Ende 2019 endlich bereit, einen Blog genau darüber zu beginnen, was falsch läuft im Mediensystem. Einen Blog darüber, wie wir als JournalistInnen, genauso wie wir als Nachrichtenkonsumentinnen, anders mit den Medien umgehen müssent. Gleichzeitig wollte ich mir einen Ort schaffen, wo ich meine Essays «Die hohe Zeit der Erbsenzähler» veröffentlichen kann.
Mein Webmaster warnte mich noch: «Gell, du bist dir schon bewusst, dass kaum ein Mensch online wirklich liest?». Ja, ich bin mir dessen bewusst. Allerdings lese ich, also muss es mindestens ein paar weitere Seelen geben, die noch lesen, auch online. Also schreibe ich. Oder wollte damals schreiben.
Aber nichts da: Ich schlitterte ungebremst in dieses grausige, gefrässige, schwarze Corona Loch – und in eine noch hässlichere Schreibblockade.
Am Anfang, März 2020, war hinhören angesagt. Ich versuchte zu verstehen, zu begreifen, was hier passiert. Aber je mehr ich las, hörte, schaute und verstand, desto weniger verstand ich, was wirklich im Gange war. Oder vielleicht begann ich im Gegenteil zu verstehen, aber wollte es mir nicht eingestehen. – Die Berichte hier in Spanien über Todeszahlen waren massiv, die Massnahmen ab dem 13. März 2020 einschneidend und hart. Ich las noch mehr, obsessiv. Schaute Dokumentationen, Talk-Shows, Nachrichten. Machte Notizen auf Zetteln und Papierschnipseln, in mein Spanisch-Voki, auf der Rückseite von Rechnungen, einfach auf jedem Stückchen Papier, das herumlag. Notizen, die ich manchmal nicht mehr entziffern konnte, weil sie fieberhaft hingekritzelt waren. Ich speicherte Artikel um Artikel, mehr als was ich zu lesen im Stande war, mehr als was mir guttat. Ich war ständig auf Facebook und Twitter, beteiligte mich aber praktisch nie an Diskussionen. Weil das keine Diskussionen mehr waren. Sehr, sehr schnell war da dieses «Wir und die anderen». – Mein Leben ging in einen nervösen, gespenstischen und absurden Stillstand über.
Das Sterben fand in den Medien statt, um mich herum keine Kranken, keine Sterbenden, keine Toten. – Im September 2020 spreche ich mit der Beraterin einer Krankenkasse hier in Spanien. Sie sagt: «Würde ich keine Zeitung lesen, nicht fernsehen, diese Krankheit gäbe es nicht». Sie ist Angestellte einer Krankenkasse. Sie betreut in ihrem Einzugsgebiet vor allem alte Menschen. Aber: Keine Corona-Kranken. Keine Toten. Bis zum heutigen Tag im Mai 2022 kenne ich niemanden. Aber ich kenne einige Menschen, die depressiv wurden. Zum Teil schwer depressiv.
Selbstverständlich ist mir klar, dass meine eigene Wahrnehmung nichts mehr ist, als meine eigene Wahrnehmung und nicht mit Statistiken übereinstimmen muss. Aber wenn sich meine Wahrnehmung – und die von Tausendenden anderer Menschen – derart von den Statistiken in den Medien unterscheiden, dann müssten sich ebendiese Medien ganz anders mit diesem Phänomen auseinandersetzen. Dann genügt es nicht, immer wieder ExpertInnen heranzuziehen, die jedes Mal befinden, dass viele Menschen halt unfähig seien, die Komplexität im Zusammenhang mit Corona zu begreifen. Diese Menschen sind dann also zu dumm, zu blöd und sie sind eh gegen die Wissenschaft und darum anfällig für jede Art von Verschwörungstheorie.
Nein, Corona und die Art, wie die meisten Medien damit umgingen, allem voran die Leitmedien, hatte in meinen Augen nicht mehr viel mit Journalismus zu tun. Noch mehr als diese Entwicklung der Medienwelt, setzte mir jetzt aber zu, wie rasend schnell diese Medienberichte sich in unserem Denken und Verhalten manifestieren können, wie rasend schnell das Gift «Angst» um sich greift und jedes Hirn verpestet. WissenschafterInnen, ForscherInnen, ÄrztInnen, Gesundheitsfachleute, Anwältinnen, JournalistInnen, egal welche ExpertInnen, welche andere Fakten auf den Tisch legten, die einen anderen Umgang mit Corona wünschten oder forderten, sie wurden zensuriert, verlacht, verhöhnt. «Angst frisst Verstand»! Ich beschreibe dieses Phänomen bereits 1996 in meinem unveröffentlichten Roman «Eisvogelfrau – oder ich war nie in Theresienstadt». Ich beschreibe es in meinen Essays «Die hohe Zeit der Erbsenzähler», die ich hier Schritt für Schritt veröffentlichen werde. Aber jetzt sitze ich selber mitten in meinen eigenen schlimmsten Ahnungen, schweigend, wie gelähmt: «Wenn es im Volk rumort, wenn es böse winselt und hechelt, dann ist Vorsicht geboten. In solchen Zeiten werden Monster geboren, still und unbemerkt. Und es hechelt, böse, zurzeit, im Volk. Unkontrolliert. – Es ist die hohe Zeit der Erbsenzähler. Die Zeit der kleinen grauen Männer und Frauen, der folgsamen und fleissigen Buchhalter und Verwalterinnen des Wahnsinns. Sie hecheln, wie Hyänen dem Wild hinterher, jagen es, hetzen es, kreisen es ein und fressen es. Jede Zeit kennt ihr eigenes Wild.» (2013).
FreundInnen sagten mir seit Monaten, Charlotte, lass endlich los. Loslassen? Wie soll sich irgendetwas ändern, wenn wir uns alle ausklinken, unsere Leben leben und einfach hinnehmen, was über unsere Köpfe hinweg verordnet wird? Und die, die es nicht hinnahmen, wehe! Sie steckten subito in der gleichen Schublade fest: Verschwörungstheoretiker, Wissenschaftsfeindlich, Rechtsextrem, Esoterikerin….
Auf der «richtigen» Seite: Akademikerinnen, Journalisten, Politikerinnen, Schriftstellerinnen, Satiriker, Kolleginnen und Kollegen auf den Sozialen Medien. Links! Rechts! Links! Rechts! Vorwärts Marsch! Alles kritisierend, was als skeptische Stimme Zahlen und Daten hinterfragt. Wütend, heftig und erbarmungslos. Es ist mir heute noch schleierhaft, wie man es geschafft hat, die drei namhaften ForscherInnen von der Great Barrington Declaration mundtot zu machen. Oh ja, wir leben ja in Demokratien. Diese ForscherInnen und ihre Mitdenkenden kann man im Internet finden. Aber im Mainstream werden sie entweder verlacht, verhöhnt oder sie sind schlicht inexistent. Ein wichtiger Teil des wissenschaftlichen Diskurses wurde ausgeblendet. Und die intellektuelle Elite schwieg. Kein Aufschrei. Sie nahmen und nehmen es hin, ohne Wimpernzucken. Wir werden uns noch wundern.
Jetzt, in den letzten Wochen und Monaten, habe selbst ich aufgehört zu lesen, hinzuhören, hinzuschauen. Schier depressiv habe ich im März 2022 nach zwei Jahren gallopierenden Wahnsinns die Push-Nachrichten von sämtlichen Zeitungen, von Radio- und Fernsehstationen, von Twitter und Facebook und allen meinen Newsletters abgestellt. Schluss. Keine weiteren Meldungen aus der Welt um mich herum. Ich war dabei verrückt zu werden. Ich war dabei, den Verstand komplett zu verlieren. Ich steckte in einem Teufelskreis fest, noch schlimmer: in einer Abwärtsspirale.
Der Angriff der russischen Regierung auf die Ukraine war wohl für mich der Schlussstrich. Ich wurde immer härter, unausstehlicher für die Menschen um mich herum, für mich selbst. Zynisch, bitter und unfair. Mein Mund nurmehr ein dünner Strich, die Lippen zusammengepresst, die Kiefer hart. Immer öfter habe ich mich so ertappt.
Schier von einem Tag auf den andern hat die Ukraine-Schlagzeile die tägliche Corona-Schlagzeile weggewischt. Die plötzlichen Heldengesänge auf die tapferen ukrainischen Krieger und die armen Frauen mit ihren Kindern auf der Flucht. Die grossen Reden über die grossartige Solidarität den Flüchtenden gegenüber. Die hehren Reden von Menschen, die erklären, wie sie über Nacht vom Pazifisten zum Befürworter für Waffenlieferungen wurden. Und nein, ich bin keine Sekunde dafür, dass die Ukraine sich einfach hätte ergeben sollen. Alleine wir wissen alle, dass auch dieser Krieg eine etwas komplexere Vorgeschichte hat. Und wir wissen verdammt noch einmal alle ganz genau: Jeder Krieg bringt nur eines: Trauer, Tote, Verletzte, Flüchtlinge und neuen Hass auf der einen Seite und auf der anderen ein paar wenige, die von diesem Krieg massiv profitieren. So, wie bei allen anderen Kriege, die zurzeit noch im Gange sind. So, wie bei alle anderen Kriege davor: Kriegsversehrte, Traumatisierte, Flüchtlinge – und ein paar wenige, die Milliardengewinne machen. Da können wir soviel klugscheissern, wie wir wollen. Aber wir Nomaste, wir Erbsenzähler und Normalsterblichen, schlagen uns auf die eine richtige Seite, schauen, dass wir möglichst da sind, wo man zu sein hat, decken uns wieder mit Vorräten ein, bringen die alten Klamotten zu den Sammelstellen, spenden für die Flüchtenden und denken, was man zu denken hat und nennen unsere grosse Angst Solidarität. – Mann, bin ich zynisch geworden!
Ja! Links! Rechts! Links! Rechts! Vorwärts Marsch! Direkt in den Abgrund! Selbstgerecht, hirn- und herzlos. Aber mit sehr, sehr viel Bauchgefühl!
Charlotte Heer Grau – 2021
Weniger News lesen, hören schauen? Das hören wir ja seit ein paar Jahren immer öfter. Von irgendwelchen namhaften Psyologen, Philosophen und sonstigen Welterklärern. Weniger News für die Psychohygiene! Wie aber sollen wir uns über die Welt informieren, wie sollen wir uns eine Meinung bilden darüber, wie wir allenfalls abstimmen oder wählen sollen, gerade in der Schweiz? Wie erfahren wir über Veränderungen, die für unsere Leben wichtig sind, wenn nicht über die News, über die Nachrichten? Wie kann Demokratie sein, ohne gut informierte Menschen? Und ich rieb das auch jeder und jedem um die Ohren, die in meiner Nähe war: Informiere dich. Lese Zeitung, höre und schaue die Nachrichten, vergleiche, aber informier dich! Bleibe skeptisch, aber informiere dich! Und so oft hörte ich von meinem Gegenüber: «Ich mag nicht mehr! Ich weiss doch gar nicht, wem ich glauben kann. Was ich glauben kann! Und wie gesagt, jetzt ist es mir selber passiert. Aufhören, Nachrichten zu sehen, zu hören, zu lesen. Einfach aufhören. Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie nötig es ist, zeitweise alles abzuschalten – und dies über Wochen. Um so schmerzhafter ist es jedes Mal, wenn du wieder einschaltest und feststellen musst, dass du einerseits viele wichtige Artikel verpasst hast, wichtige Auseinandersetzungen und niemals alles wirst nachlesen können und dass aber andererseits, alles im Gleichschritt weitergeht – gnadenlos: Hier wir, die Guten, dort die Anderen!
Mir passierte, was der deutsche Philosoph Markus Gabriel in der Neuen Zürcher Zeitung schrieb. Übrigens nach wie vor einer der klügsten Artikel, den es immer noch zu lesen lohnt:
«Diese Krise wird paradoxerweise von den jüngsten Errungenschaften des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts befeuert: Die algorithmischen Architekturen der Suchmaschinen und sozialen Netzwerke treffen seit inzwischen einem Jahr auf eine gigantische Menschenmasse, die – ins Home-Office genötigt – gebannt auf die Bildschirme und News-Ticker starrt in der Hoffnung auf eine erlösende Nachricht, die aber ausbleibt.» – (Markus Gabriel, 28.01.2021, NZZ)
Diese Hoffnung auf eine erlösende Nachricht, die aber ausbleibt. Endlich musste ich mich total ausklinken, um wieder einigrmassen zu mir selbst zu finden. Dabei ist mir immer klar geblieben: Wir können nicht ohne News. Und es ist mir klar, dass ich genau über dieses Thema weiterschreiben muss! WIR BRAUCHEN NEWS! Wir brauchen diese Nachrichten aus der Welt. Aus unserer kleinen Welt in den Gemeinden, in unserem Land und aus allen anderen Ländern um uns herum. Natürlich, man kann Bücher oder Hintergrundbeiträge lesen, diesbezügliche Filme anschauen, Dokumentationen. Aber welche Nomaste, welche Normalsterbliche hat die Zeit, sich ständig über all die Themen in einer globalisierten Welt auf dem Laufenden zu halten. Es wäre die Aufgabe der JournalistInnen, genau dies zu tun und darüber zu berichten, unabhängig und differenziert. Nur haben sie immer weniger Zeit genau dafür. Es ist darum wenig hilfreich, Budgets der Öffentlich-Rechtlichen Medienanstalten kürzen zu wollen, wie das so manch ein enttäuschter Medienkonsument wünscht. Im Gegenteil: JournalistInnen brauchen mehr Zeit, viel mehr Zeit, mehr Bildung und Weiterbildung und viel mehr Geld.
Aber wir müssen auch endlich verstehen, wie diese News, diese Nachrichten entstehen, woher sie kommen, wer für diese Informationen verantwortlich ist und wir müssen uns alle endlich eingestehen, dass die ganze Sache doch etwas komplexer ist, als wir uns das vorstellen, oder vormachen. Und glauben Sie mir, selbst MedienforscherInnen müssen einen kleinen Schritt weitergehen, um das Mediensystem einigermassen zu verstehen.
Das bedeutet nur eines: Gelassenheit bewahren, trotz allem. Sich damit auseinandersetzen und lernen und dann mehr Geld fordern für unabhängige Berichterstattung. Keine Ahnung wie, aber wir müssen Gelassenheit bewahren und versuchen zu verstehen, uns selbst und die ANDEREN und uns dafür einsetzen, dass wir endlich eines bekommen: wahrhafte Nachrichten.
Eines aber möchte ich hier allem voranstellen: Es gibt keine Weltverschwörung. ABER: Es gibt Verschwörungen. Es gibt Interessen. Es gibt Pfründe, die es zu verteidigen gilt und die mit sehr viel Geld und sehr viel Macht, mit Medien und Propaganda verteidigt werden. Aber genau hier wird zu wenig hingeschaut. Es gibt zwar unabhängige Organisationen, Wissenschaftlerinnen, Journalisten oder einzelne Bürgerinnen, die sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben haben und immer wieder Skandale ans Tageslicht bringen, nur, wenn die Medien diese Berichte nicht täglich auf ihre Titelseiten bringen, wenn Politik und Behörden nicht dazu gebracht werden, hier wirklich einzuschreiten, wenn Verantwortliche immer und immer wieder straffrei ausgehen, wenn Gesetze nicht angepasst und geändert werden… dann ändert sich nichts. Nichts!
Es gibt keine Weltverschwörung. ABER: Es gibt Verschwörungen. Es gibt Interessen. Es gibt Pfründe, die es zu verteidigen gilt und die mit sehr viel Geld und sehr viel Macht, mit Medien und Propaganda verteidigt werden.
Charlotte Heer Grau – 2021
Einer der grössten Skandale (der vielen laufenden Skandale) ist zwar bekannt, den Medienschaffenden und einigen Menschen mindestens, die sich damit auseinandersetzen, in der Öffentlichkeit aber ist es kein Thema. Schlagzeilen dazu gibt es kaum: Julian Assange, der seit vier Jahren ohne Verurteilung unter unmenschlichen Bedingungen im englischen Hochsicherheitsgefängnisses Belmarsh festgehalten wird, da, wo nur die gefährlichsten Verbrechen des Vereinigten Königreichs einsitzen: Mörder, Vergewaltiger und Terroristen, dies, weil die USA seine Auslieferung wollen. Er, der die Verbrechen von US-Militärs im Irak-Krieg auf der Plattform Wiki-Leaks publiziert hat, er soll ein Exempel statuieren. Und die Propaganda wirkt: Immer noch glauben die meisten Menschen, Julian Assange, sei ein Verräter, ein Hacker, ein Vergewaltiger. Selbst viele Journalisten und Journalistinnen sehen das nach wie vor so. Aber sich wirklich informiert haben die wenigsten: «Wie ist es möglich, die öffentliche Meinung auf der ganzen Welt so gegen einen Mann aufzubringen? Assange ist mit Beweisen für Kriegsverbrechen der Mächtigen an die Öffentlichkeit getreten. Das ist Faktum. Alles andere wurde nachher konstruiert und extrem dominant in die Öffentlichkeit gepresst. Ich finde es unglaublich beängstigend, dass unsere Wirklichkeitswahrnehmung derart dominiert ist» sagte UNO-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, gegenüber Reporter ohne Grenzen im August 2021. Und Assange sitzt immer noch. Und das grauenhafte Bild, das die USA diesen mutigen Mann verpasst haben, prägt immer noch, was die meisten über Julian Assange denken. Spätere Generationen werden uns fragen: Wie konntet ihr nur? Und wir? Werden wir antworten, wir hätten nichts gewusst? Werden wir antworten, wir hätten keine Ahnung gehabt, was Propaganda ist, wie Propaganda wirkt? Wir hätten keine Ahnung gehabt, wie man sich gegen Propaganda wehrt?
Es muss uns allen klar werden: Wir können so nicht weiterfahren. Wir müssen lernen, hinzuschauen. Und zwar dorthin, wo es wirklich schmerzt: auf uns selber.
«Wie ist es möglich, die öffentliche Meinung auf der ganzen Welt so gegen einen Mann aufzubringen? Assange ist mit Beweisen für Kriegsverbrechen der Mächtigen an die Öffentlichkeit getreten. Das ist Faktum. Alles andere wurde nachher konstruiert und extrem dominant in die Öffentlichkeit gepresst. Ich finde es unglaublich beängstigend, dass unsere Wirklichkeitswahrnehmung derart dominiert ist.»
UNO-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, August 2021.
Nein, es kann nicht um KEINE News gehen, sondern es muss darum gehen, WELCHE News wir brauchen, um uns genauso über das Weltgeschehen zu informieren, wie über die Geschehnisse in unserer Gemeinde.
Was sind News? Wie entstehen sie, warum kommen sie daher, wie sie daherkommen und wie kann man glauben, was man hört, liest oder sieht und vor allem: was muss sich im News Business ändern, damit sich Menschen wieder korrekt informiert fühlen?
Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Ich bringe meine jahrelange Erfahrung als Journalistin und meine stetige Auseinandersetzung mit dem Menschsein ein und werde versuchen, auf verständlicher Weise zusammenzutragen, was ich dazu zu sagen habe. Ich werde vermeintliche Gewissheiten in Frage stellen und versuchen, möglichst anhand von Beispielen aufzuzeigen, was sich ändern muss – in einer Welt, die immer mehr aus den Fugen gerät. Allein mit gutem Journalismus können wir Schritt für Schritt eine Welt bauen, die nicht nur auf Hochglanzprospekten gut aussieht, sondern für alle Menschen gut ist. Es wird kein Paradies sein, diese neue Welt, aber ein guter Ort für alle. Es ist machbar!
About me
Und ich? Ich bin eine Einzelkämpferin. Leider. Ich kann es nicht ändern. The lonely wolf. Ich mag Menschen, aber nicht zu lange, nicht zu dicht. – Ich bin keine Wutbürgerin, aber ich bin eine sehr wütende Bürgerin. Ich bin definitiv kein Gutmensch, aber ich habe immer versucht, ein guter Mensch zu sein. Das mag langweilig klingen, aber es ist so. Mein Leben allerdings war alles andere als langweilig. Und ich bin mir bewusst, dass ich dabei auch immer wieder Mist gebaut habe, ganz gehörigen Mist, stur und bockig, wie ich bin. Das gehört dazu, zum Mensch werden. Wir sind keine Roboter und keine Engel. Wir machen Fehler.
Ich war und bin immer auf der Suche nach dem nächsten Stückchen Wahrheit, um besser zu verstehen, warum wir so sind, wie wir sind. Um zu verstehen, was es uns so unmöglich macht, etwas friedlicher zusammenzuleben. Es ist eine lebenslange Suche und eine, die nie aufhören wird. Es sind viele Faktoren, die hier wirken. Einen der wichtigsten Faktoren aber, dessen bin ich mir unterdessen sicher, sind die Medien. Ist der Journalismus.

Hierdrauf lege ich mein Augenmerk. Ich bin der Überzeugung, dass, wenn wir es schaffen, besser zu verstehen, was Journalismus ist, wie er funktioniert, welche Mechanismen hier wirken und wie wir zu einem Journalismus kommen, der allein im Dienste einer aufgeklärten Öffentlichkeit steht, wir ein wirklich gutes Stück weiterkommen. Nur: Journalismus kann man nicht abstrahiert von allem anderen betrachten. Er ist menschengemacht, darum ist es genau so wichtig hinzuschauen, wie wir als Menschen funktionieren, wie wir lernen und handeln.
Ich bin Journalistin. Ich bin Frau. Ich bin Mutter. Ich bin Weltbürgerin, die seit langem mehr im Kopf reist, als ein Flugzeug zu besteigen. Ich bin Suchende und Fragende. Hier aber schreibe ich nicht als Journalistin, sondern als die verärgerte ältere Frau, die ich bin. Ich bin wütend, schier dauerwütend, weil ich sehe, wie viel heute möglich wäre, wenn wir etwas bewusster wären. Wenn wir die Nase ab und zu mal heben würden, andere Gedanken zuliessen und ab und zu von alten Gewissheiten losliessen.
Unsere Mediensysteme sind durch und durch krank und korrumpiert. Das heisst nicht, dass es nicht Tausende guter JournalistInnen gäbe, die in Grossverlagen, genauso wie in kleinen Verlagen, in Medienorganisationen und als MedienkritikerInnen tätig sind und beste journalistische Arbeit machen, nur genügt das nicht. Es sind wenige, sehr wenige JournalistInnen, die den Mut, das Bewusstsein und die Möglichkeiten haben, Skandalen wirklich unabhängig auf den Grund zu gehen und wirklich derart aufklärend zu wirken, dass ein Wandel möglich wird.
Allein mit gutem Journalismus können wir Schritt für Schritt eine Welt bauen, die nicht nur auf Hochglanzprospekten gut aussieht, sondern für alle Menschen gut ist. Es wird kein Paradies sein, diese neue Welt, aber ein guter Ort für alle. Es ist machbar!
Charlotte Heer Grau – Spain, 2022